
EMOTIONS TO TEXT TO MUSIC
Sag’ mir wie du dich fühlst und ich sage dir was du hörst
Und weil es gerade in aller Munde ist: Noch einmal künstliche Intelligenz. Diesmal ein schönes Beispiel dafür, wie das aus dem Text- und mittlerweile auch aus dem Bildbereich (GPT-4) bekannte Prinzip in Zukunft in der Welt der selbst konsumierten Musik aussehen könnte.
Das aus der Mannheimer Pop-Akademie hervorgegangene DeepTech-Start-up “Cyanite” (deutsch: Kyanit, ein Mineral, das unter anderem zur Herstellung von Porzellan verwendet wird) hat in den letzten Jahren ein gleichnamiges KI-basiertes Musikanalyse-Tool entwickelt, das auf Basis einer freien Texteingabe übereinstimmende Musik aus Musikbibliotheken heraussucht.
Ziel ist es, zu einer bestimmten Emotion oder Vorstellung passende Musik zu finden, indem man einen eigenen Text in Form von Schlüsselwörtern, Szenenbeschreibungen oder einer speziellen Stimmung als Suchbegriff eingibt. Es ist also nicht notwendig, die Software mit musikalischem Fachwissen oder exakten Genrebegriffen zu füttern, eine Beschreibung in natürlicher Sprache reicht aus. “Cyanite” spuckt dann eine passende Titelliste aus, die man in großen Musikarchiven selbst dann nicht finden könnte, wenn man die einzelnen Titel mit Schlagworten versehen hätte.
Durch die Eingabe von Parametern in einem zusammenhängenden Text, wie z.B. “Nachtfahrt auf der Autobahn, Regen, schlechte Laune, nachdenklich...” schlägt die KI dann entsprechende Titel vor. Man kann die Ergebnisliste verfeinern, visualisieren, eine audiobasierte Ähnlichkeitssuche durchführen usw.
Möglich wird dies durch die Durchsuchung von derzeit rund 10 Millionen Songs nach 1.500 Schlüsselwörtern, Musikrezensionen und vor allem einer Audioanalyse. “Cyanite”-Geschäftsführer Markus Schwarzer spricht von einer „Musikintelligenz“, die die Musik dieser Welt „versteht und empfiehlt“.
Im Moment ist “Cyanite” vor allem noch eine B2B-Anwendung, die in firmeneigenen Musikarchiven nach den passenden Songs sucht. Werbeagenturen finden so schnell Vorschläge für den perfekten Song für einen Spot. Oder die Film-, Fernseh- und Spieleindustrie stellt sich mit dieser Mechanik anhand von Szenenbeschreibungen selbst einen Soundtrack zusammen. Für Privatanwender kann “Cyanite” aber auch schon die eigenen Spotify- oder YouTube-Playlisten durchsuchen. Für aussagekräftige Ergebnisse ist natürlich die Größe der eigenen Datenbanken entscheidend.
Für die Zukunft ist es natürlich denkbar, komplexe Situationsbeschreibungen in jedes gängige Musikprogramm oder jede bekannte Streaming-Plattform einzugeben, um sich von der künstlichen Intelligenz eine Playlist zur jeweiligen Gefühlslage erstellen zu lassen und dabei im besten Fall auch noch neue Musik zu entdecken. Zumindest das “Könnte dir auch gefallen”-Prinzip wäre damit abgelöst.
Bisher war es aber gar nicht so schlecht, sich in bestimmten Situationen an bekannte Musik aus der Vergangenheit zu erinnern und selbst einen melancholischen Kontext herzustellen. Inwieweit die Automatisierung dies in Zukunft verdrängen wird, bleibt abzuwarten.
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