IRGENDWAS MIT MUSIK

Eine sehr persönliche Geschichte über Leidenschaft, Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen


1982 gab es an meiner Schule (Lichtenbergschule Gymnasium Darmstadt) die sogenannte Projektwoche, in der sich Teams zusammenfanden, die an einem selbst bestimmten Thema arbeiten und die Ergebnisse am letzten Tag der Woche dem Rest der Stufe präsentierten sollten. Hier zeigte sich schon früh, dass ich mich lieber meinem Hobby als dem sonstigen Lernstoff widmete. Und mein Hobby war damals schon die neue elektronische Musik.

Das Thema war also klar: Wir machen elektronische Musik. Ich wusste genau, wie sich das Ergebnis anhören sollte, hatte aber absolut keine Ahnung, wie das zu erreichen war. Aber ich hatte zwei Mitschüler, die dank ihrer wohlhabender Eltern schon mit Computern (?) und Keyboards arbeiteten, allerdings eher in Hinsicht auf frühe Experimente mit dieser neuen Technik, als in Richtung Musik für das nächste Jahrtausend. Wir trafen uns, und ich stellte ihnen ein paar Lieblingstitel vor. Die Wahl fiel auf „Bostich“ von Yello, was ein Jahr zuvor erschien und für mich eine Art Erweckung war. Die beiden Nerds kannten sowas natürlich noch nicht, waren aber sehr begeisterungsfähig. Also ans Werk.

Schon früh wurde klar, wir tendierten aus Mangel an Kenntnis von Arrangements zumindest in konzeptioneller Hinsicht eher in Richtung zweistündige Maxi-Versionen. Dies hat bei Pink Floyd und Alan Parsons auch schon funktioniert, vom Krautrock mal ganz abgesehen. Unter anderem waren der brandneue Commodore 64 und ein Roland Juno-60 im Einsatz. Die Sounds waren sensationell, aber insgesamt konnte man das Ganze wohlwollend als „Freestyle Electro“ bezeichnen.

Es kam der Tag der Projekt-Vorstellung. Ein leergeräumtes Klassenzimmer, wir in einer Ecke mit unserem technischen Equipment, im Eingangsbereich ungläubige Mitschüler, die Mehrzahl von ihnen die damals sogenannten Ökos. Sie hörten in der Regel The Cure, The Smiths oder Talking Heads, also bedeutungsschwangere Musik mit Message, was ich damals wiederum nie verstanden habe. Musik an sich musste die Aussage sein, nicht der Text. Das bot maximalen Raum für die eigene Interpretation. Wir spielten bei grellem Tageslicht mehrere ultralange Live-Tracks. Wie genau die Geräte miteinander harmonierten, weiß ich nicht mehr. Aber ich weiß noch, dass ich auf dem Juno-60 zwölf Minuten lang (Breaks ausgenommen) live eine Taste für die High Hats drückte. Gen Ende der Sessions natürlich ziemlich ungerade. Einen Teil dieser Sessions nahmen wir auf Kassette auf, welche immer noch bei mir zuhause lagert und hörbar ist. Beschriftet per Letraset Rubbelbuchstaben mit den Lettern LUO = Lichtenbergschule.

Der letzte Tag der Woche war auch gleichzeitig das Ende unseres Projekts. Auch weil wir den Eindruck hatten, dass niemand so richtig verstanden hatte, was das sein sollte. Ich bin mir heute aber sicher, dass aus solchen Ideen viele erfolgreiche Lieblingsbands entstanden sind. Am Anfang keine Ahnung von nichts, aber ein Bauchgefühl davon, was am Ende herauskommen soll.

Meine Musikkarriere war jedenfalls erstmal beendet, und ich widmete mich ein Jahr später der DJ-Mixtechnik. 1983 allerdings noch mit zwei Technics SL-B300 Plattenspielern im Keller meiner Eltern. Und das hat mich dann nie wieder losgelassen.

 

Foto: welcometotherobots.com