Die Geschichte der Technokultur

 

Wie sind Deine Verbindungen zu Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet?

Nun ja, ich bin hier geboren und aufgewachsen, meine Eltern gingen mit meinem Bruder und mir zum Jazz-Frühschoppen im Schlachthof und zu Jazz im Museum, meine frühe musikalische Sozialisation verdanke ich auch Werner Reinke, einige Jahre später stieg ich dann auf die HR3 Clubnight um.

 

Dein erster Clubbesuch in Frankfurt war…

Hmmm, also Club im eigentlichen Sinne müsste das Cooky‘s gewesen sein, dann Tallas erster Technoclub im No Name und die Music Hall in der Voltastraße. Dort habe ich unter anderem Propaganda live gesehen, die ich damals cool fand. Später wurden dann das Gray und das Omen wichtige Orte für mich.

 

Was war Deine erste gekaufte Maxi-Single?

Die erste gekaufte war sicherlich YELLO Live at the Roxy. Allerdings durfte ich über eine Bekannte meiner Eltern mal bei Werner Lohr im Hessischen Rundfunk vorbei schauen und ein ganzes Plattenfach leer räumen, denn Maxis wurden damals gar nicht archiviert. Da waren dann von Grandmaster Flash „Wheels of Steel“ über M „Pop Muzik“ bis zu Thomas Fehlmanns „Readymade“ ein ganzer Haufen Klassiker und Kuriositäten dabei. Die meisten davon habe ich noch...

 

Wie kam die Liebe zur elektronischen Musik?

Ich glaube, am Anfang war es eher Trotz. Ich konnte – abgesehen von den Beatles und Abba – mit den alten Rock-Zöpfen nicht viel anfangen und fand die Neue Deutsche Welle (DAF, Der Plan, Ideal, Palais Schaumburg) und die elektronische Musik von Depeche Mode, Cabaret Voltaire, Human League und Heaven 17 viel interessanter. Auch Hip Hop faszinierte mich. Die ersten Electro-Funk Sachen – von Man Parrish über Newcleus bis Mantronix – habe ich rauf und runter gehört. Aber auch Kraftwerk, Yello und Yellow Magic Orchestra gehörten und gehören zu meinen Favorites.

Anfang Februar erschien Dein Buch „Electronic Germany“ und worum geht es darin?

Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Geschichte der Technokultur im deutschsprachigen Raum, um die Musik, die Macher und die prägenden Momente dieser inzwischen bald drei Generationen übergreifenden Jugendbewegung. Es sollte aber keine reine O-Ton-Collage und auch kein nostalgischer Rückblick werden, sondern ein Rundschlag von den 1980ern bis 2018.

 

Was zeichnet Deiner Meinung nach die Technokultur in Deutschland besonders aus?

Vor allem ist Techno made in Germany sehr vielschichtig. Heimische Techno-, Electro- und House-Musiker von Westbam über Wolfgang Voigt, Ellen Allien und Monika Kruse, Sven Väth, DJ Hell, Anthony Rother, Paul van Dyk, Jam & Spoon bis hin zu Paul und Fritz Kalkbrenner oder auch Dirty Doering, Kollektiv Turmstrasse und Pantha Du Prince haben weltweit Jahrzehnte lang musikalischen Spuren gelegt, von denen vor allem die Berliner Clubszene heute als Magnet für den „Easyjet-Set“ profitiert. Am einen Ende der Skala steht die gefällig-poppige Variante elektronischer Tanzmusik, durchaus mit internationalem Anspruch à la Robin Schulz, wogegen die ambitionierten Klangsphären von Vessels und Nils Frahm auch einem Klassik-Publikum zumutbar sind. Knochenharter Minimaltechno, Electro, Trance und flockiger Deep House –geht alles heutzutage. Nicht alles gefällt allen, aber gute DJs lauschen schon mal weit über den eigenen Tellerrand.

 

Was unterscheidet Dein Buch von anderen Titeln zum Thema?

Andere Bücher beschäftigen sich mit Teilaspekten und Aussagen eines relativ kleinen Personenkreises. Die meisten Autoren legen den Schwerpunkt auf die Berliner Szene, und das ist ja auch völlig in Ordnung. „Electronic Germany“ versucht etwas ganz anderes, nämlich die Technokultur heimischer Prägung im internationalen Kontext über mehrere Jahrzehnte und „Themeninseln“ hinweg zu beschreiben und ihre nachhaltige Faszination zu erklären.